Atemlos komme ich auf dem Grat an. Hier muss die Grenze sein. Ein quadratischer Stein deutet darauf hin, ansonsten bleibt sie unsichtbar. Das Tal links von mir liegt in Österreich, das rechts in Deutschland. Zwei Gämse, die ich aufschrecke, hüpfen von Land zu Land. Nach dem die Sonne untergegangen ist, rolle ich die Isomatte aus. Meine Füße liegen in Deutschland, mein Kopf in Österreich. Über mir der Sternenhimmel, grenzenlos. Und ich frage mich: Endet mit der Pandemie das Europa, das wir kennen?
Die Pandemie hat die Charakteristik des innereuropäischen Lebens unterbrochen. Mit dem Virus kamen Grenzkontrollen nach Europa zurück. Viele Schengen-Staaten führten Einreisebeschränkungen ein, zeitweise war der Grenzverkehr stillgelegt. Und noch immer ändert sich regelmäßig die Liste der Regionen, die als Risikogebiet eingestuft werden. Wie denken Menschen über die Kontrollen, die in Grenzregionen leben, arbeiten, reisen? Und wie verändern diese Beschränkungen ihr Gefühl zu Schengen, zu Europa und den Lebensalltag mit den Nachbarn jenseits der Grenze? Eine Reise entlang der deutschen Außengrenzen im Norden, Osten, Süden und Westen.
DER NORDEN: WIRTSCHAFTLICHE VERBUNDENHEIT
Zwei Wochen bevor ich auf dem Bergkamm liege, beginnt meine Reise in Flensburg an der Ostsee. Gleichmäßig trete ich in die Pedale meines Fahrrads, der Gegenwind rauscht in den Ohren. Hinter der A7 saust plattes Land an mir vorbei, Gärten ohne Zäune, Schilder auf Deutsch und Dänisch. Ich folge dem Grenzradweg, der von Flensburg nach Hojer führt und dabei auf 132 Kilometern 13 Mal die deutsch-dänische Grenze kreuzt. Wenn ich gut vorankomme, stehe ich morgen an der Nordsee. Wenn.
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