Deutschland benötigt Lithium, um die Energiewende voranzutreiben. Deshalb unterstützt es einen Deal zwischen einer deutschen Firma und Bolivien. Doch dann platzt das Geschäft. Warum?
Mit Nora Belghaus
Luís Machaca schreit in das Mikrofon, seine Stimme hallt vom hohen Wellblechdach des Stadions wider: „Eine Industrialisierung unseres Lithiums findet hier in Bolivien statt – mit klaren Regeln!“ Applaus, Zwischenrufe. Etwa 200 Menschen sind an diesem Tag im Frühjahr 2020 zur Bürgerversammlung nach Uyuni gekommen, einer Kleinstadt im Andenhochland Boliviens. Ein junger Mann aus dem Publikum steht auf. „Wir haben sie alle hier gehabt, die Chinesen, die Amerikaner, die Deutschen. Wir brauchen sie nicht, wir können das allein!“, ruft er ins Mikrofon. Die Stimmung ist aufgeheizt. Für die Anwesenden geht es um die Zukunft ihrer Region.
Für Deutschland geht es um die Verkehrswende, um Klimaschutz und um Wettbewerbsvorteile. Denn Lithium wird für Lithium-Ionen-Akkus benötigt. Und diese stecken nicht nur in Handys und Laptops, sondern treiben auch Elektroautos an und speichern die Energie aus Solarzellen. Sich vom Verbrennungsmotor verabschieden, auf erneuerbare Energien umsteigen – beides braucht Lithium.
Bislang müssen die Batterien importiert werden, vor allem aus Asien und den USA. Deshalb sicherte sich 2018 eine deutsche Firma einen exklusiven Zugang zu Boliviens Lithiumvorkommen. Ein Jahrhundertdeal. Doch im November letzten Jahres annullierte Bolivien das Abkommen. Die aktuell amtierende Übergangsregierung legte die Gespräche dazu auf Eis. Erst nach den Wahlen am 18. Oktober wird sich entscheiden, wie es weitergeht – und ob Deutschland dabei überhaupt eine Rolle spielen wird.
Die Wahl in Bolivien könnte damit ein erneuter Wendepunkt in dem fast zwei Jahre andauernden Wirtschaftsdrama markieren. Zwei Jahre, in denen sich anfängliche Euphorie in Ernüchterung aufgelöst hat. Was ist geschehen?
Verfolgt man diese Frage, stößt man auf größere: Wie gerecht sind Rohstoffdeals in einer globalisierten Welt? Welche Auswirkungen hat der deutsche Klima- und Umweltschutz auf die andere Seite der Erde?
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