Auf der Überholspur

Berlin will die Verkehrswende. Die Stadt plant ein deutschlandweit einmaliges
Radgesetz. Der Entwurf steht nun. Doch was wird sich wirklich ändern im täglichen Straßenkampf? Mit der Fahrradpolizei auf  Streife.

s ist noch früh am Morgen, als Kay Biewald und Carsten Baß in einem leerstehenden – da asbestverseuchten – Gebäude gegenüber des Bundesinnenministeriums stehen. Im Erdgeschoss haben sie eine improvisierte Fahrradgarage eingerichtet, mit Klebeband sind Fahrradstellplätze auf dem Boden markiert, Winterbereifung hängt an den Wänden, Kettenöl, Schraubenschlüssel und ölverschmierte Lappen liegen herum. Biewald und Baß sind keine Hobbymechaniker oder Zweiradkonstrukteure – sie sind Polizisten der Radstreife Berlin Mitte. Hier haben sie und 17 weitere Radpolizisten ihre Diensträder stehen, dazu vier E-Räder im Testbetrieb. Ihre Büros sind in einem Containergebäude nebenan.

Das Rad ist das sichtbarste Merkmal, das die Fahrradpolizisten von ihren Kollegen unterscheidet – und die kurze Hose. „Wir sind die einzigen Polizisten, die kurze Hosen tragen dürfen“, sagt Kay Biewald, und kann dabei auch ein bisschen Stolz nicht verbergen. Seit drei Jahren fahren die beiden für die Berliner Polizei in der Fahrradstaffel – also seitdem der Modellversuch im Bezirk Mitte eingerichtet wurde. Und wer in der Staffel fährt, der wollte hier auch tatsächlich hin. Denn anders als in anderen Bundesländern, wo mal im Einsatzwagen, mal auf dem Rad Streife gefahren wird, haben sich die Polizisten der Radstaffel Berlin aktiv auf diese Stelle beworben und sind ausschließlich auf ihren Zweirädern unterwegs – das ganze Jahr, von 7 bis 20 Uhr, in zwei Schichten, bei jedem Wetter, auch bei Schnee, solange es kein Glatteis gibt. „Und dann auch mit langer Hose“, sagt Biewald.

An ihrem Arbeitsplatz, also zwischen durchgezogener und gestrichelter Linie, Radweg und Haltespur, Türunfall und Abbiegekollision, könnte sich in Zukunft einiges ändern. Berlin macht seit über einem Jahr mit Verhandlungen zu einem Gesetz auf sich aufmerksam, das eine potenzielle Strahlkraft auf andere deutsche Städte in sich bergen könnte: Von „Vorrang für den Umweltverbund“ vor dem „motorisierten Individualverkehr“ ist da die Rede. Von „subjektiver Sicherheit“ und „Quantität und Qualität der Radverkehrsinfrastruktur“.

Kurz: In Zukunft soll der Fokus der Verkehrsplanung auf dem Fahrrad, den Fußgängern, sowie Bus und Bahn liegen. Dass diese Vorgaben in einem Gesetz festgeschrieben werden, wäre bundesweit einmalig. Anfang August hat die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz den Entwurf vorgestellt, der in einem zweijährigen Prozess mit der Initiative „Volksentscheid Fahrrad“ und anderen Interessengruppen ausgearbeitet worden war. Bis Ende des Jahres soll das sogenannte Radgesetz eingebettet in ein Mobilitätsgesetz im Abgeordnetenhaus verabschiedet worden sein.

 

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Fabian Franke Journalist Reportage Radgesetz Zitty
Fotos: Lena Ganssmann

Fabian Franke Journalist Reportage Radgesetz Zitty
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