An der Wurzel

Der Boden, das Reich der Wurzeln, entscheidet mit über die Zukunft der Landwirtschaft. Doch wie sieht man in die Zukunft, wenn sie tief begraben liegt? Eine Reportage aus der Rhizosphäre

Die Felder am Ortsrand von Bad Lauchstädt bei Halle an der Saale sehen zwar aus wie normale Maisfelder, doch hier wächst das wahrscheinlich aufwendigste Grünzeug der Republik. Um die Felder anzulegen, kofferten Bagger hüfthohe Gruben aus, Forscher:innen versenkten darin Messinstrumente, installierten Plexiglasscheiben, bauten ein Bewässerungssystem, bewegten mit schwerem Gerät fast 1.200 Tonnen Lehm und Sand, schichteten den Boden auf, deckten alle 24 Äcker wieder zu. Sechs Millionen Euro lässt sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Aufwand kosten, bereits drei Jahre lang graben Wissenschaftler:innen von 18 Forschungseinrichtungen den Geheimnissen des Getreides hinterher. Sie wollen erfahren, wie Pflanzen sich selbst resilienter gegen Wetterextreme machen.

Nur den Krähen ist das egal. Sie picken an den jungen Maispflanzen herum. „Das sind unsere größten Feinde“, sagt Doris Vetterlein.

Doris Vetterlein leitet das umfangreichste deutsche Forschungsvorhaben zu Wurzeln. Genauer: Zur Rhizosphäre. Die Rhizosphäre ist das Erdreich, das von der Wurzel beeinflusst wird – und das wiederum die Wurzel beeinflusst. In der Rhizosphäre tauscht sich die Pflanze mit dem Boden aus, mit Pilzen und Mikroorganismen, hier hält sie sich fest, hier bahnen sich die Wurzeln auf der Suche nach Wasser und den darin gelösten Nährstoffen ihren Weg.

Die Prozesse in der Rhizosphäre entscheiden darüber, ob Pflanzen Hitzestress, Trockenperioden, Starkregen oder Spätfrost überstehen. Wer sie versteht, kann die Auswirkungen der Erderhitzung auf die Blumen, Bäume oder Getreide besser vorhersagen. 24 Forschungsprojekte sind deshalb in einem Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft gebündelt. Das Programm soll ein grundlegendes Verständnis darüber schaffen, wie die Rhizosphäre funktioniert und wie sie die Widerstandskraft von Pflanzen beeinflusst. Das könnte in Zukunft insbesondere der Landwirtschaft helfen. „Wenn Sie viel düngen und wässern, ist das Wurzelsystem nicht so wichtig“, sagt Vetterlein. Die Pflanze erhält dann auch ohne ausgefeiltes Wurzelnetz genügend Nährstoffe. „Aber beim organischen Landbau und ressourcensparender Landwirtschaft ist das Wurzelsystem entscheidend.“ Die Pflanze sei dann gezwungen über ihr Wurzelsystem fehlende Nährstoffe, ungeeigneten Boden oder Wetterextreme zu kompensieren.

Damit entscheidet sich in der Rhizosphäre auch die Zukunft der Landwirtschaft. Doch wie schaut man in die Zukunft, wenn sie unter der Erde begraben liegt?

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Fotos: Ingmar Nolting

Fabian Franke Reportage Wurzeln Science Notes Rhizosphäre