Die Bauern und ihr flexibles Vieh

Ob Fleisch, Milch, Wolle oder Eier – Tierprodukte stammen meist von Rassen, die durch Überzüchtung entstanden sind und Quälerei bedeuten. Erste Landwirte erproben Alternativen

Fotos: Martin Steger

In den Augen von Fylla, Babi und Schini spiegelt sich die Morgensonne wider. Die Kühe recken den Kopf zwischen den Metallstäben hindurch, züngeln nach dem Heu, das neben dem Stall liegt, malmen darauf herum, schlackern mit den Ohren, schnauben. Hinter ihnen stemmen sich Sarah und Julia Thielecke in die Mistgabeln und verteilen Stroh auf dem Boden. Jeder Schritt lässt ihre Gummistiefel schmatzen, ein süßlicher Geruch liegt in der Luft.

Eine Situation, wie sie überall in Deutschland stattfinden könnte. Normale Landwirtschaft, auf den ersten Blick. Doch Fylla, Babi, Schini sind nicht normal. Zumindest nicht nach heutigen Maßstäben. Mehr noch: Es dürfte sie eigentlich gar nicht mehr geben.

Die moderne Landwirtschaft arbeitet mit Tierrassen, die auf ein Merkmal spezialisiert sind: Milch, Fleisch, Eier oder Wolle. Das steigert den Ertrag, senkt den Preis. Doch die Tiere gelten als anfälliger für Krankheiten. Zudem sind ihre Geschwister aus Sicht der Landwirte unwirtschaftlich. So werden die Brüder der Milchkühe im Schnelldurchlauf fettgefüttert und geschlachtet, die männlichen Küken aus der Legehennenzucht vergast. Ausschussware eines Hochleistungssystems.

Eine Alternative könnten sogenannte Mehrnutzungsrassen sein. Diese waren in der Landwirtschaft einst üblich: Schafe, die Milch, Fleisch und Wolle liefern und auf Wiesen oder Dämmen den Wildwuchs verhindern. Rinderrassen, die Bergwiesen freigrasen und Milch geben wie Fleisch ansetzen. Oder Hühnerrassen, die sich für das Frühstücksei ebenso eignen wie für die Hähnchenbrust. Nachdem die modernen Hochleistungsrassen sie aus der Landwirtschaft verdrängt haben, könnten sie nun eine Renaissance erleben. Zwar ist der Anteil der Mehrnutzungsrassen noch gering – in der biologischen Hühnerhaltung schätzen Experten ihn auf ein bis zwei Prozent. Eine Studie des Forschungsinstitutes für biologischen Landbau im Auftrag von Greenpeace spricht Mehrnutzungsrassen bis 2050 jedoch eine entscheidende Rolle bei der Agrarwende zu. Können Mehrnutzungsrassen vereinen, was aktuell entkoppelt ist – Tierwohl und Ertrag?

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