Transnistrien: Wehrfähig, aber kriegsunwillig

In der Republik Moldau wächst die Angst, in den Krieg in der Ukraine hineingezogen zu werden. Zu Besuch in einer Region, die um ihr friedliches Zusammenleben fürchtet.

Fotos: Mikhail Kalarashan, Mitarbeit: Corina Ovcearenco, Mircea Baștovoi

Rîbnița, auf der anderen Seite des Flusses Dnister, sieht auf den ersten Blick aus wie eine Festung: Riegel von Wohnblöcken bilden eine graue Front aus Beton, deren Fenster wie Schießscharten in Richtung Rezina zeigen. Die Brücke, die beide Städte miteinander verbindet, scheint wie eine Rampe in diese Festung hineinzuführen. Aber das ist nur der erste Blick, und der trügt.

Zwei Wochen ist es her, dass Anschläge und Explosionen das Separatistengebiet Transnistrien erschüttert haben. Seither hat sich im ganzen Land eine diffuse Sorge in reale Angst verwandelt: Der russische Angriffskrieg könnte auch die Republik Moldau erfassen – und Transnistrien das Einfallstor sein.

1992 spaltete sich das Gebiet in einem militärischen Konflikt vom Rest der Republik ab, agierte fortan autonom, mit eigener Währung, eigenem Militär, gestützt durch russisches Gas, Geld, Beziehungen. Die Bemühungen, das Separatistengebiet politisch wieder der Republik anzugliedern, sind bis heute erfolglos geblieben. Auch weil Russland sich sperrte, wie Beobachter es beschreiben.

Doch unabhängig davon entstand in der Bevölkerung ein pragmatischer Umgang mit der Teilung: Es gibt regen Pendelverkehr, über die Flussufer hinweg wuchsen und wachsen Verwandtschaften und Freundschaften. So wie zwischen den zwei Städten im Nordosten: Rezina auf der westlichen Seite, Rîbnița auf der östlichen Seite in Transnistrien.

Simion Tatarov erhebt sich aus den Papierstapeln, die die Schreibtischplatte säumen. Sein Händedruck ist fest, seine Stimme tief. Tatarov, 57, ist der Bürgermeister von Rezina. Er wuchs westlich des Dnister auf, wurde in den Achtzigerjahren als Arbeiter dem Stahlwerk in Rîbnița zugewiesen, das noch heute der größte Arbeitgeber Transnistriens ist. Als 1992 der Transnistrienkrieg ausbrach, ging er nach Rezina. Seit 2015 amtiert er nun als Bürgermeister.

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